Ein sehr interessantes und ganzheitliches Konzept ist für mich die
Kabbalah. Die Kabbalah ist der mystische Zugang zu Gott des Judentums.
Die Mystik ist im Vergleich zur Volksreligion, immer ein direkter Weg zu
Gott, der weniger mit dem Glauben, sondern mit praktischen
Überlieferungen konkreter Hinweise zu tun hat. Man kann die Kabbalah
völlig unabhängig vom persönlichen Glauben als einen Art spirituellen
Entwicklungsplan verstehen, der einem einen ganzheitlichen Weg zu
höchster Verwirklichung zeigt. So kann man schauen, welche
Entwicklungswege man bereits integriert hat und welche Entwicklungswege
noch fehlen. Man kann nachprüfen, ob der Weg den man geht, ganzheitlich
ist, oder nur einige Aspekte abdeckt. So kann man seine Praxis in dem
Fall, um die fehlenden Aspekte ergänzen, indem man eine Technik wählt,
die den fehlenden Aspekt beinhaltet.
Es gibt zum Beispiel
Menschen, die legen einen großen Fokus auf Mediation, entwickeln somit
ihre Herzverbindung, oder ihre Intuitive Anbindung an ihr göttliches
Ich, vernachlässigen aber die emotionale Integration, Schattenarbeit,
oder die Ausbildung des Verstandes und des Wissens. Erleuchtung wird
immer durch ein Ego interpretiert. Wenn ein Ego wenige oder gar keine
Geisteskonzepte hat, kann ein Mensch seine Erfahrung nur teilweise
verstehen, geschweige denn, adäquat mit Worten ausdrücken.
Umgekehrt, gibt es Menschen, die einen rein rationalen Weg des Wissens
gehen. Sie sind weise Schriftgelehrte, vernachlässigen aber die
emotionalen, magischen, energetischen oder intuitiven Aspekte der
Ganzheit.
Für mich war es sehr interessant mich mit diesem
Konzept zu beschäftigen, da mich die Kabbalah auf ein Ungleichgewicht
zwischen zwei Sphären aufmerksam gemacht hat. Bei mir waren das Geburah
(Strenge) und Chessed (Gnade).
In der Kabbalah werden 10
Sphären (Sephiroth) beschrieben, die alle in unmittelbarer Verbindung zu
einander stehen. Ähnlich wie im Chakrenmodell, geht es darum, dass alle
Aspekte entwickelt und in einen Ausgleich gebracht werden. Im Gegensatz
zum Chakrenmodell, welches sich mehr auf den Energiekörper bezieht,
liefert die Kabbalah eine umfassende Anleitung für den Verstand, die
gezielt auf die Fallstricke an den einzelnen Entwicklungspunkten
aufmerksam macht. Denn es macht einen Unterschied auf welcher Ebene
Integration stattfindet.
Vielle kennen das bestimmt, dass uns
unser Verstand unsere Verhaltensweisen sehr schnell durschschaut, aber
keine Verhaltensänderung möglich ist, weil emotionale Aspekte der
Integration fehlen. Umgekehrt erlebe ich auch auch häufig intuitive
Erkennnisse in der Mediation, die jedoch im Alltag noch nicht
vollständig umgesetzt werden können, solange sie nicht auch emotional
und Intellektuell akzeptiert und integriert sind. Eine kurze Erkennnis
von innerem Frieden, bringt noch keinen inneren Frieden geschweige denn
einen friedfertigen Menschen hervor. Das zu erreichen, kann noch
weiterer innerer Arbeit bedürfen.
So lehrt das Modell der
Kabbalah den Ausgleich zwischen Himmel und Erde, Emotion und Verstand,
Strenge und Gnade, dem Unbewussten, dem Christusbewusstsein, Wissen,
Intuition und dem göttlichen Selbst. Durch die Kabbalah versteht man
sehr schnell, wo man sich auf dem Weg festgefahren hat und welches der
nächste Schritt zur Ganzheit ist. Man sieht sehr klar welchen Themen man
sich noch zuwenden muss, um aus Gipfelerfahrungen Integration zu machen
und welche inneren Dämonen dem vollständigen inneren Frieden noch im
Weg stehen.
Zwischen jedem Entwicklungspunkt verlaufen Pfade,
die beschreiben welche Fähigkeiten integriert werden, wenn so ein Pfad
beschritten wird. Als ich zwischen diese beiden Aspekten Strenge und
Gnade, durch das Wissen um das erforderliche Gleichgewicht in den
Ausgleich gekommen bin, haben sich auch die anderen Entwicklungspfade
verstärkt und weiter entfaltet. Für mich war es sehr interessant
zu beobachten, als ich die Strenge, oder ich könnte auch sagen den
Täteraspekt emotional integriert hatte, schaltete sich sofort ein weiter
Pfad frei, nämlich der des freien Willens, der von Geburah zu Binah
(Verstehen) verläuft. Strenge war blockiert, weil der Täteraspekt
abgespalten war. Was abgespalten ist, ist unbewusst und steht dem Ego
nicht zur Verfügung. Ich spürte in dem Moment der Integration, wie sich
mein Willensfokus, der vorher unbewusst war, erweiterte.
Ich
fand viele Aspekte genau so später in der Kabbalah beschrieben, wie ich
diese in den letzten Jahren erlebt habe. So der Ausgleich zwischen
Emotion und Verstand, zwischen Rationalität und Intuition. Für mich war
das Lesen der Kabbalah deshalb auch eine Bestätigung dessen, dass meine
intensive psychologische Arbeit zb mit dem Enneagramm, meine
Beschäftigung mit Träumen und meinem emotionalen Traumata nicht umsonst
war. Denn ich erkannte, dass ich dadurch Basisvoraussetzungen für die
höheren Sphären geschaffen hatte, die kein ersthafter Sucher
überspringen kann, wenn er eine wirkliche Ganzheit anstrebt. Manchmal
erlangt man zwar die höheren Sphären, aber in der Regel fällt man zurück
oder grenzt einen Teil aus und steckt dann wieder fest, vielleicht
sogar ohne dieses zu merken. Ich empfand alles was ich über dieses
Konzept gelesen habe als sehr stimmig mit meinem Weg, der sich auf die
Vereinigung der Gegensätze bezieht.
Ich denke man sollte sich
mit mindestens zwei oder besser mit mehreren ganzheitlichen
Geisteskonzepten beschäftigen, wenn man einen spirituellen Weg geht. Das
heißt sich ganz bewusst einen Rahmen, um seine spirituellen Erfahrungen
bauen, der einem Halt und Orientierung bietet. Ich rate dazu auch
möglichst unterschiedliche Konzepte zu erforschen. Ohne diese
Orientierung neigt man dazu, in seiner eigenen kleinen Welt zu bleiben,
und alles was einem gerade nicht in den Kram passt auszusparen. So dreht
man sich im eigenen Kreis, meint vielleicht man sei ein großer Meister,
weil man Einheit wahrgenommen hat, ist aber vielleicht psychologisch
oder emotional gar nicht weit genug entwickelt, um diese große Erfahrung
wirklich tragen zu können. Dann schwimmt man fortwährend in der eigenen
Egosuppe, und schliesst andere Menschen und Erfahrungen aus, die nicht
ins eigene gut denken passen.
Für die spirituelle Entwicklung
ist es wichtig, möglichst viele geistige Konzepte zu kennen, um auf eine
Vielfalt an Perspektiven zurückgreifen zu können. Es geht darum zu
lernen out "of the box zu denken", wirkliche Weite im Geist zu erlangen.
Wichtig ist auch dass man einen Weg ganz bis zum Ende, also bis zum
Ausstieg aus dem Ego geht. Für mich war das die Psychologie, die sich am
Ende des Denkens aufgelöst hat und obwohl ich Psychologie liebe, aus
letzter Sicht keinen Sinn mehr ergibt. Diese Erfahrung des Konzeptausstiegs kann man dann auf
seine anderen Wege übertragen.
Mediationspraxis halte ich für
außerordentlich wichtig, um sein höheres Bewusstsein frei zu schalten,
doch wer seine konkreten Erfahrungen nicht in ein größeres Verstehen bringen kann,
der wird nie seine voll Größe erreichen. Der wird mit evtl mit
Erfahrungen überfordert sein. Manchmal erlebe ich Phasen vermehrter
praktischer Bewusstseinserfahrungen, und dann wieder vermehrter
geistiger und emotionaler Integration. In wie fern sich diese Phasen
abwechseln, die Reihenfolge der Auftretens, die Dauer, das kann bei
jedem Menschen anders sein.
Weitere Konzepte, die mich sehr
bereichert haben, sind Kundalini Tantra, Enneagramm, Spiral Dynamics,
Tiefenspychologie und die Beschäftigung mit Träumen. Konzepte sind wie
eine Brille die man sich aufsetzt, die einem einen tieferen Einblick in
einen ganz bestimmten Bereich zeigen. Ich könnte keines der genannten
Konzepte durch das andere ersetzten, denn jedes zeigt einen
einzigartigen Bereich auf, der Aspekte der Realität in einer Tiefe
beschreibt.
Intuitive Wahrnehmung, intuitives Verstehen,
empathische Einsicht, die Erfahrung von allumfassender Liebe und
Verbundenheit, ersetzt nicht die Arbeit mit Geisteskonzepten. Wer
intuitiv arbeitet, braucht eine intensive Auseinandersetzung mit seinen
Ego Filtern, die nur über einen Abgleich mit einem geistigen Konzept und
der Spiegelung eines möglichst ehrlichen sowohl kritischen und auch
annehmenden Gegenübers möglich ist. Ohne diese authentische
Auseinandersetzung, die auch vor spirituellen Dogmen nicht halt macht,
werden intuitive Wahrnehmung und Wahrheiten, verfremdet und innerhalb
des eigenen Egos nach eigenem dünken interpretiert. Das ist alles andere
als bewusst.
Im Idealfall schafft man es, Intuition und
Rationalität, Herz und Verstand in einen Einklang zu bringen, indem man
beide als gleichwertige, jedoch unterschiedliche Aspekte des Einen
versteht. Um so mehr Perspektiven du einnehmen kannst, um so grösser und
flexibler entwickelt sich deine geistige Weite und um so eher wird sich
dein höheres Selbst in deinem konkreten Alltag in dir ausbreiten und
dir erlauben, ein bewusstes Leben voller Einsicht zu führen.
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