Donnerstag, 12. Juli 2018

Kabbalah, Konzepte und Gleichgewicht


Ein sehr interessantes und ganzheitliches Konzept ist für mich die Kabbalah. Die Kabbalah ist der mystische Zugang zu Gott des Judentums. Die Mystik ist im Vergleich zur Volksreligion, immer ein direkter Weg zu Gott, der weniger mit dem Glauben, sondern mit praktischen Überlieferungen konkreter Hinweise zu tun hat. Man kann die Kabbalah völlig unabhängig vom persönlichen Glauben als einen Art spirituellen Entwicklungsplan verstehen, der einem einen ganzheitlichen Weg zu höchster Verwirklichung zeigt. So kann man schauen, welche Entwicklungswege man bereits integriert hat und welche Entwicklungswege noch fehlen. Man kann nachprüfen, ob der Weg den man geht, ganzheitlich ist, oder nur einige Aspekte abdeckt. So kann man seine Praxis in dem Fall, um die fehlenden Aspekte ergänzen, indem man eine Technik wählt, die den fehlenden Aspekt beinhaltet. 

Es gibt zum Beispiel Menschen, die legen einen großen Fokus auf Mediation, entwickeln somit ihre Herzverbindung, oder ihre Intuitive Anbindung an ihr göttliches Ich, vernachlässigen aber die emotionale Integration, Schattenarbeit, oder die Ausbildung des Verstandes und des Wissens. Erleuchtung wird immer durch ein Ego interpretiert. Wenn ein Ego wenige oder gar keine Geisteskonzepte hat, kann ein Mensch seine Erfahrung nur teilweise verstehen, geschweige denn, adäquat mit Worten ausdrücken. 

Umgekehrt, gibt es Menschen, die einen rein rationalen Weg des Wissens gehen. Sie sind weise Schriftgelehrte, vernachlässigen aber die emotionalen, magischen, energetischen oder intuitiven Aspekte der Ganzheit. 

Für mich war es sehr interessant mich mit diesem Konzept zu beschäftigen, da mich die Kabbalah auf ein Ungleichgewicht zwischen zwei Sphären aufmerksam gemacht hat. Bei mir waren das Geburah (Strenge) und Chessed (Gnade). 

In der Kabbalah werden 10 Sphären (Sephiroth) beschrieben, die alle in unmittelbarer Verbindung zu einander stehen. Ähnlich wie im Chakrenmodell, geht es darum, dass alle Aspekte entwickelt und in einen Ausgleich gebracht werden. Im Gegensatz zum Chakrenmodell, welches sich mehr auf den Energiekörper bezieht, liefert die Kabbalah eine umfassende Anleitung für den Verstand, die gezielt auf die Fallstricke an den einzelnen Entwicklungspunkten aufmerksam macht. Denn es macht einen Unterschied auf welcher Ebene Integration stattfindet. 

Vielle kennen das bestimmt, dass uns unser Verstand unsere Verhaltensweisen sehr schnell durschschaut, aber keine Verhaltensänderung möglich ist, weil emotionale Aspekte der Integration fehlen. Umgekehrt erlebe ich auch auch häufig intuitive Erkennnisse in der Mediation, die jedoch im Alltag noch nicht vollständig umgesetzt werden können, solange sie nicht auch emotional und Intellektuell akzeptiert und integriert sind. Eine kurze Erkennnis von innerem Frieden, bringt noch keinen inneren Frieden geschweige denn einen friedfertigen Menschen hervor. Das zu erreichen, kann noch weiterer innerer Arbeit bedürfen. 

So lehrt das Modell der Kabbalah den Ausgleich zwischen Himmel und Erde, Emotion und Verstand, Strenge und Gnade, dem Unbewussten, dem Christusbewusstsein, Wissen, Intuition und dem göttlichen Selbst. Durch die Kabbalah versteht man sehr schnell, wo man sich auf dem Weg festgefahren hat und welches der nächste Schritt zur Ganzheit ist. Man sieht sehr klar welchen Themen man sich noch zuwenden muss, um aus Gipfelerfahrungen Integration zu machen und welche inneren Dämonen dem vollständigen inneren Frieden noch im Weg stehen. 

Zwischen jedem Entwicklungspunkt verlaufen Pfade, die beschreiben welche Fähigkeiten integriert werden, wenn so ein Pfad beschritten wird. Als ich zwischen diese beiden Aspekten Strenge und Gnade, durch das Wissen um das erforderliche Gleichgewicht in den Ausgleich gekommen bin, haben sich auch die anderen Entwicklungspfade verstärkt und weiter entfaltet. Für mich war es sehr interessant zu beobachten, als ich die Strenge, oder ich könnte auch sagen den Täteraspekt emotional integriert hatte, schaltete sich sofort ein weiter Pfad frei, nämlich der des freien Willens, der von Geburah zu Binah (Verstehen) verläuft. Strenge war blockiert, weil der Täteraspekt abgespalten war. Was abgespalten ist, ist unbewusst und steht dem Ego nicht zur Verfügung. Ich spürte in dem Moment der Integration, wie sich mein Willensfokus, der vorher unbewusst war, erweiterte. 

Ich fand viele Aspekte genau so später in der Kabbalah beschrieben, wie ich diese in den letzten Jahren erlebt habe. So der Ausgleich zwischen Emotion und Verstand, zwischen Rationalität und Intuition. Für mich war das Lesen der Kabbalah deshalb auch eine Bestätigung dessen, dass meine intensive psychologische Arbeit zb mit dem Enneagramm, meine Beschäftigung mit Träumen und meinem emotionalen Traumata nicht umsonst war. Denn ich erkannte, dass ich dadurch Basisvoraussetzungen für die höheren Sphären geschaffen hatte, die kein ersthafter Sucher überspringen kann, wenn er eine wirkliche Ganzheit anstrebt. Manchmal erlangt man zwar die höheren Sphären, aber in der Regel fällt man zurück oder grenzt einen Teil aus und steckt dann wieder fest, vielleicht sogar ohne dieses zu merken. Ich empfand alles was ich über dieses Konzept gelesen habe als sehr stimmig mit meinem Weg, der sich auf die Vereinigung der Gegensätze bezieht. 

Ich denke man sollte sich mit mindestens zwei oder besser mit mehreren ganzheitlichen Geisteskonzepten beschäftigen, wenn man einen spirituellen Weg geht. Das heißt sich ganz bewusst einen Rahmen, um seine spirituellen Erfahrungen bauen, der einem Halt und Orientierung bietet. Ich rate dazu auch möglichst unterschiedliche Konzepte zu erforschen. Ohne diese Orientierung neigt man dazu, in seiner eigenen kleinen Welt zu bleiben, und alles was einem gerade nicht in den Kram passt auszusparen. So dreht man sich im eigenen Kreis, meint vielleicht man sei ein großer Meister, weil man Einheit wahrgenommen hat, ist aber vielleicht psychologisch oder emotional gar nicht weit genug entwickelt, um diese große Erfahrung wirklich tragen zu können. Dann schwimmt man fortwährend in der eigenen Egosuppe, und schliesst andere Menschen und Erfahrungen aus, die nicht ins eigene gut denken passen. 

Für die spirituelle Entwicklung ist es wichtig, möglichst viele geistige Konzepte zu kennen, um auf eine Vielfalt an Perspektiven zurückgreifen zu können. Es geht darum zu lernen out "of the box zu denken", wirkliche Weite im Geist zu erlangen. Wichtig ist auch dass man einen Weg ganz bis zum Ende, also bis zum Ausstieg aus dem Ego geht. Für mich war das die Psychologie, die sich am Ende des Denkens aufgelöst hat und obwohl ich Psychologie liebe, aus letzter Sicht keinen Sinn mehr ergibt. Diese Erfahrung des Konzeptausstiegs kann man dann auf seine anderen Wege übertragen. 

Mediationspraxis halte ich für außerordentlich wichtig, um sein höheres Bewusstsein frei zu schalten, doch wer seine konkreten Erfahrungen nicht in ein größeres Verstehen bringen kann, der wird nie seine voll Größe erreichen. Der wird mit evtl mit Erfahrungen überfordert sein. Manchmal erlebe ich Phasen vermehrter praktischer Bewusstseinserfahrungen, und dann wieder vermehrter geistiger und emotionaler Integration. In wie fern sich diese Phasen abwechseln, die Reihenfolge der Auftretens, die Dauer, das kann bei jedem Menschen anders sein. 

Weitere Konzepte, die mich sehr bereichert haben, sind Kundalini Tantra, Enneagramm, Spiral Dynamics, Tiefenspychologie und die Beschäftigung mit Träumen. Konzepte sind wie eine Brille die man sich aufsetzt, die einem einen tieferen Einblick in einen ganz bestimmten Bereich zeigen. Ich könnte keines der genannten Konzepte durch das andere ersetzten, denn jedes zeigt einen einzigartigen Bereich auf, der Aspekte der Realität in einer Tiefe beschreibt.

Intuitive Wahrnehmung, intuitives Verstehen, empathische Einsicht, die Erfahrung von allumfassender Liebe und Verbundenheit, ersetzt nicht die Arbeit mit Geisteskonzepten. Wer intuitiv arbeitet, braucht eine intensive Auseinandersetzung mit seinen Ego Filtern, die nur über einen Abgleich mit einem geistigen Konzept und der Spiegelung eines möglichst ehrlichen sowohl kritischen und auch annehmenden Gegenübers möglich ist. Ohne diese authentische Auseinandersetzung, die auch vor spirituellen Dogmen nicht halt macht, werden intuitive Wahrnehmung und Wahrheiten, verfremdet und innerhalb des eigenen Egos nach eigenem dünken interpretiert. Das ist alles andere als bewusst. 

Im Idealfall schafft man es, Intuition und Rationalität, Herz und Verstand in einen Einklang zu bringen, indem man beide als gleichwertige, jedoch unterschiedliche Aspekte des Einen versteht. Um so mehr Perspektiven du einnehmen kannst, um so grösser und flexibler entwickelt sich deine geistige Weite und um so eher wird sich dein höheres Selbst in deinem konkreten Alltag in dir ausbreiten und dir erlauben, ein bewusstes Leben voller Einsicht zu führen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen