Freitag, 24. Mai 2019

Den Weg der Mitte gehen in der Pädagogik.


Heute geht es um die Frage, wie wollen wir unsere Kinder zu ganzheitlichen Persönlichkeiten erziehen? Wer sich mit mir austauschen mag, ist herzlich eingeladen sich über FB mit mir zu verbinden.

Gestern schaltete ich den Fernseher ein und es lief Markus Lanz, eine Late Night Talk Sendung. Zu Gast äußerte sich u.a. Michael Winterhoff, Kinderpsychiater und sprach über den desolaten Zustand in deutschen Kindertageseinrichtungen und Schulen. Er mahnte die mangelnde Beziehungsarbeit in der Pädagogik an. Er kritisierte, dass unsere heutigen Kinder und Jugendliche in unseren Bildungseinrichtungen nicht mehr gefordert werden, weil wir immer mehr zu freier Arbeit, zu offenen KiTa Gruppen, tendieren. Lehrer fungieren immer mehr als freundschaftliche Lernbegleiter, statt zur Autorität. Herr Winterhoff sprach über Menschen, die auf Grund fehlender erlernter Anpassung und dadurch fehlender emotionaler Reife, unfähig sind, im Leben Fuß zu fassen.

Ich bin von Beruf Erzieherin, deshalb betrifft mich dieses Thema Tag täglich und deshalb kannte ich Herr Winterhoffs Position bereits. Aus meiner Berufserfahrung möchte ich hinzufügen, dass adäquate Bildung vor allem, ein Kostenfaktor darstellt, den die Parteien, die zur Zeit an der Macht sind, nicht gewillt sind zu finanzieren. 

Die Kosten wollen sich Träger solcher Einrichtungen, wie Städte und Kommunen durch den Wegfall von persönlicher Begleitung, aus finanziellen Gründen, ersparen. Nicht immer entstehen fehlerhafte Pädagogik, aus pädagogischen Entscheidung. Es sind meist ökonomische Entscheidung, die sich an Kosten und nicht an den Bedürfnissen von Kindern orientieren.

Der Ökonom hat jedoch sein eigenes Fachgebiet nicht verstanden, wenn er die Kosten, die durch die Folgen, einer fehlenden Nachhaltigkeit in der Bildungspolitik nicht in seine Rechnung mit einbezieht. Wenn Menschen in Bildungseinrichtungen nicht aufgefangen werden, wird uns das alle teuer zu stehen kommen. Wir sollten mehr Sorgfalt und Nachhaltigkeit in unsere Entscheidungen mit einbeziehen.

Was mich, als ich die Diskussionsrunde betrachte, aber noch viel mehr vereinnahmte als die Perspektive, die Herr Winterhoff ansprach war, dass das eben nur ein Teil der Wahrheit ist. Und ich musste schmunzeln, wie sich in diesem Moment plötzlich zwei Seiten der selben Medaille in mir zeigten, die seit Jahren in mir kämpften und ich beiden Seiten, einfach nur Recht geben konnte.

Ich selbst wuchs relativ streng erzogen auf. So erlebte ich persönlich viel mehr Strenge als Freiheit. Ich wurde Erzieherin, weil ich Kindern in Not helfen wollte. Dies geschah aus meiner eigenen Not als Kompensation für die eigene Hilfslosigkeitserfahrung in der eigenen Kindheit. Ich wollte Kinder beschützen. Ich wollte Kindern helfen, eine Stimme zu haben, wie ich sie nie hatte. Aus diesem Grund finde ich die Motivation diesen Text zu schreiben.

Ich wollte mich dafür einsetzten, dass die Gefühle und Bedürfnisse von Kindern ernst genommen werden. Ich wollte mich dafür einsetzten, dass Menschen insbesondere Kinder keine Übergriffe durch Gewalt erdulden müssen. Und wenn man so eine Berufung wie ich hat, die aus dem eigenen Leid entstammt, dann ist es normal, wenn man daraus erst Mal eine Überkompensation entwickelt. Entweder verinnerlicht man seine eigene Erziehung unbewusst, oder man rebelliert gegen sie, um sich damit auseinander zu setzten. Ich war ein Rebell in einem angepassten Kleid.

Als ich als junge Erzieherin begann meine Berufserfahrung zu sammeln, erlebte ich einen großen Konflikt in mir, da ich diese Strenge, die ich in der Kindheit erlebte, nicht an Kinder weiter geben wollte. Gleichzeitig hatte ich die Aufgabe 25, manchmal bis zu 29 Kinder, in meiner Gruppe zu Mitgliedern dieser Gesellschaft zu erziehen. Ohne eine Authorität zu sein, ist dieses unmöglich. Sehr wichtig ist hier die Unterscheidung der Worte Authorität und authoritär. Sehr häufig musste ich auffangen, was Eltern heutzutage, aus aus Gründen der Berufstätigkeit nicht mehr leisten können.

Zu der Zeit fiel mir Herr Winterhoffs Buch: „Warum Kinder Tyrannen werden“ in die Hände und ich erkannte plötzlich, dass ich meine eigene Geschichte auf meine Kindergartenkinder projizierte. Projektion ist ein psychologischer Begriff für die Übertragung von eigenen unbewussten Gefühlen. 

Er sprach von einer Theorie, in der sich Eltern oft als Einheit mit ihrem Kind fühlen. Er sprach von einer Art Verschmelzung. Würden sie ihr Kind bestrafen müssen, oder ihm einen Wunsch verwehren, wäre es, als fügten sie sich selbst Schmerz zu. Diese Eltern kannte ich bedingt durch meine Arbeit, nur all zu gut. Eltern die unfähig waren, ihren Kinder Grenzen zu setzten. 

Wenn man ein einziges unerzogenes Kind hat, kann man die Tatsache evtl. ignorieren, weil man sein Kind liebt, und nicht sehen will und muss, wie es um die Erziehung des Kindes steht. Wenn man aber 25 Kinder hat, ist man gezwungen die Ursachen für das Verhalten den Kinder zu analysieren und sich immer wieder in Frage zustellen. 

Seit ich das Buch von Herrn Winterhoff gelesen hatte, war ich fähig meine Rolle als Autorität einzunehmen. Denn es wurde mir sehr bewusst, dass man die eigenen Gefühle, die aus der eigenen Erziehung stammten,  nicht auf eine andere Person übertragen dürfe. Aber wer kann das schon? Dieses Phänomen nennt sich Projektion, und wir unterliegen ihr in unserem Alltag ständig. 

Natürlich brachte dieses gleich den Konflikt mit den KiTa Eltern mit sich. So geriet ich vor allem als junge Erzieherin, mit Anfang 20, ich bin jetzt 39 Jahre alt, in Konflikte mit Eltern, die sich mit ihrem Kind als Einheit fühlten. 

Damals hatte ich einen Konflikt mit einer Mutter über diese Thematik. Ich gab ihr ein Buch von Michael Winterhoff in der Hoffnung, dass sie mich besser verstand, und sie drückte mir ein Buch von Gerald Hüther in die Hände, indem es um die Förderung des individuellen Talentes des Kindes ging. 

Im Nachhinein ein magisches Ritual, der Vereinigung der Gegensätze. Mein ganzes Leben lang, habe ich mich mit dem Thema Erziehung auseinander gesetzt und somit bin ich froh,  nun endlich eine Haltung der Mitte gefunden zu haben, die in diesem Moment ihren Anfang fand.

Anfangs war ich dem Buch von Hüther sehr skeptisch gegenüber eingestellt. Heute verstehe ich erst, dass das daran lag, dass ich mich bis zu diesem Zeitpunkt nicht für meine Talente wertschätzen konnte und die Anpassung, in die ich gezwungen wurde, internalisiert (übernommen) hatte. Wieder einmal hatte die Projektion die Sicht auf meine Realität verzerrt.

Ich dachte Individualität ist ja gut und schön, aber Fakt ist, ich hatte jedes Jahr mindestens 25 Kinder, für die ich verantwortlich war, und die ich auf das Leben in dieser Welt vorbereiten musste. Ich wurde verantwortlich gemacht, wenn das Kind bis zum Eintritt in die Schule nicht Schulreif war. Dann hieß es Frau x, werden denn die Kinder hier nicht für die Schule vorbereitet? Ich wurde verantwortlich gemacht, wenn Kinder sich balgten. Ich musste die ganze Last der Verantwortung tragen, denn die wurde mit aufgebürdet. Und es waren Kinder dabei, die sehr unerzogen, gewalttätig oder einfach respektlos waren.  

So wie ich anfangs Schwierigkeiten hatte Grenzen zu setzten, verstand ich, dass klare Grenzen Menschen ebenso vor Gewalt beschützen, wie Mitgefühl und Liebe, einen gewalttätigen Menschen besänftigen kann. So richtig verstehe ich es aber erst heute. Denn bis vor kurzem kämpften diese beiden Sichtweisen in mir um eine Vorherrschaft. Erst jetzt viele Jahre später kann ich sagen, dass ich das was ich dank meiner KiTa Kinder gelernt habe, auch für mein restliches Leben vollständig integriert habe. 

Ich habe von den Kinder so unglaublich viel gelernt. Sie waren alle meine Lehrer. 

In einer Gruppe muss man fähig sein, seine individuellen Bedürfnisse zurück zu stellen und sich an die Bedürfnisse der Gruppe anpassen, man muss lernen andere Menschen zu achten. In einer Gesellschaft muss man sich anpassen können. 

Und doch war ich auch immer ein Mensch, der ja mit seiner eigenen viel zu strengen Erziehung haderte, der sich danach sehnte, Kindern Liebe und Geborgenheit zu geben und den Freiraum, die eigenen individuellen Talente zu entwickeln. Wo bleibt die Individualität, wenn diese der Anpassung vollständig zum Opfer fällt?

Ich bzgl der Individualitätsentwicklung vorwiegend negative Erfahrungen in der Schule gemacht. Ich habe dort den Lehrer als Autorität erlebt. Einige der Lehrer waren natürliche Autoritäten, andere waren autoritär.

Ich habe jedoch keine einzige Möglichkeit erlebt, in dieser Umgebung meine individuellen Talente zu entwickeln. In meinem Elternhaus wurde meine Individulität vollständig unterdrückt. Aus diesem Grunde traf mich die Anpassung die ich in der Schule leisten musste hart. 

Ich bekam zu Hause keine Selbstwertschätzung für meine individuellen Interessen beigebracht und in der Schule auch nicht. Erst lange nach meiner Schulzeit habe ich begonnen, aus einer intrinsischen Motivation heraus (aus mir selbst) Dinge lernen zu wollen. Erst als ich lange raus war aus Elternhaus und Schule, ungefähr mit Ende Zwanzig, fühlte ich mich in meiner Umgebung frei genug herauszufinden, welcher Mensch ich überhaupt sein will. Und so begann ich mein Leben in Frage zu stellen. Vor allem die Anpassung.

Ich erfuhr jenseits der Schule zum ersten Mal, dass ich in einer Fernakademie gute Noten bekam, denn zum ersten Mal erfuhr ich, wie es ist aus eigener Motivation heraus zu lernen, nämlich das was mich persönlich interessiert. Das war immer Psychologie, ein Fach welches in meiner Schule nicht vorkam. Ich war auf einer Realschule. Es gab dort keine Wahl. Keine Individualität. 

Meine einzige Individualität die ich dort leben konnte, bestand aus der Kleidung die ich trug und der Musik die ich auf den Schulweg hörte. Wie oft bekam ich schlechte Noten in Fächern wie Kunst, Musik oder Deutsch, Fächer die Kinder eigentlich zu kreativen Menschen erziehen sollten. Meine Beiträge gefielen den Lehren persönlich nicht. Meine Meinung, meine Interpretion wurde immer als falsch bewertet. Darunter leidete mein Selbstwert, der schon zu Hause nicht gefördert wurde. Ich habe die Schule gehasst.

Bis zum Studium habe ich es nicht geschafft, weil ich keine Unterstützung in meinem Umfeld fand, um überhaupt das Selbstbewusstsein aufzubringen, diesen Weg zu gehen. Auch von zu Hause kannte ich es nicht, dass jemand meine Interessen aufgriff. Es lag nicht an mangelnder Intelligenz, sondern an falscher Erziehung.

Meine Eltern waren viel zu sehr von ihrer eigenen Kindheit traumatisiert, (zwischen 1940 und 1950 geboren), als dass sie ein Gespür für die persönlichen Interessen ihres Kindes hatten. 

In der Zeit ihrer Kindheit, zählte das Individuum nicht. Das Individuum stand den Allmachtsphantasien der Nazis im Weg. Und so denken heute noch ganze Generationen von Menschen. Denn sie haben die Werte ihrer Generation unhinterfragt übernommen. So habe ich leider mit dem Thema schulisches Lernen, hauptsächlich sehr viele negative Erfahrungen gemacht, die meine Haltung dazu geprägt haben.

Dann vor ein paar Jahren fand ich plötzlich Andre Stern, einen intelligenten Jungen Mann, der Vorträge über seine Schuldbildung hielt. Dabei kam heraus, dass er keine Schulbildung hatte. Andre Stern wuchs in Frankreich auf. Dort erhielt er, auch auf Grund dessen, dass er sehr gebildete Eltern hatte, die intellektuell in der Lage waren, den kleinen Andre persönlich bei seiner Entwicklung zu begleiten, was in Deutschland verboten ist. Ich erfuhr was Freilernen ist, und wie Eltern die sich dazu für ihre Kinder entscheiden, kriminalisiert werden. 

So erfuhr ich von einer ganz anderen Möglichkeit Kinder in ihrer Entwicklung zu begleiten. Theoretisch. Sehr oft wünsche ich es mir, meinen Kindergartenkindern, Möglichkeiten zu bieten, dass sie ihren persönlichen Interessen nach gehen können. Aber das ist schwierig, weil das System indem ich lebe, Individualität beschränkt. Auch heute noch im Jahre 2019.

Zudem trat dann der Gehirnforscher Gerald Hüther, dessen Buch ich vor Jahren noch verschmäht hatte, mit Andres Stern wieder in mein Leben. Dieser war in der Lage Sterns Behauptung, dass Kinder am besten lernen, indem man sie spielen lässt, wissenschaftlich zu belegen. Andres Stern sagt Spielen ist Lernen. Unser Fehler ist den Kindern zu sagen, jetzt ist das Spiel vorbei, jetzt musst du lernen. Das ist Gehirnphysiologisch der reinste Irrsinn. Das Gehirn des Menschen lernt nachhaltig, einzig durch intrinsische Motivation (aus sich selbst heraus einstanden Freude am Thema). 

Nochmal: Wir lernen durch Begeisterung. Aber gleichzeitig zwingen wir unsere Kinder Dinge zu lernen die sie nicht interessiert und die das Gehirn langfristig wieder vergisst. Das was wir in den Schulen Jahrhunderte gemacht haben, herzloses und sinnloses auswendig lernen, was wir gar nicht lernen wollen, vergisst das Gehirn sobald der Test geschrieben ist.

Hüther bestätigte mir damit den Irrsinn wissenschftlich, den ich Jahrelang immer schon in mir gefühlt habe, wenn ich Widerstand gegen das Schulsystem empfunden hatte, in dem ich aufgewachsen war.

Und so fand ich in diesen beiden Reformpädagogen, wie ich sie verstehe, eine Bereicherung für meine Arbeit mit Kindern. Das war dringend nötig, denn ich hatte ja nur autoritäre Rollenvorbilder als Lehrer, Eltern und Erzieher erlebt, bei denen die individuelle Persönlichkeit eines Kindes keinen Platz hatte. 

Die Sängerin Sarah Lesch setzte mit ihrem Song „Testament“, der von der verlorenen Kindheit auf Grund des Bildungssystems handelt, noch einen drauf, und rührte mich immer wieder zu Tränen. 

Ich bemerkte immer mehr, wie meine Schulbildung dazu beigetragen hatte, dass ich mich selbst verleugnen musste. Denn dort war kein Platz für den Menschen der ich bin, der sich immer durch mich ausdrücken wollte. Ich brauchte viel Therapie und innere Auseinandersetzung, um die Schäden, die meine Persönlichkeit aus der Erziehung getragen hat, halbwegs zu heilen. 

Nur durch meine Spiritualität, kann ich mir diese gewalttätigen Erfahrungen, der Verdrängung meiner Persönlichkeit sinngebend erklären. Darum bin ich froh, aber das ich meiner Erfahrung einen Sinn geben kann, heisst nicht, dass ich daraus eine generelle Haltung machen sollte. Das eigene Leid durch Sinngebung zu rechtfertigen, ist leider eine häufige Haltung die dazu führt, das Gewalterfahrungen unreflektiert an die nächste Generatiuon weiter gegeben werden. Wir sollten unsere eigene Haltung immer wieder in Frage stellen.

Nun wie du vielleicht bemerkst, schlagen ach zwei Herzen in meiner Brust. Und genau darauf möchte ich mit meinem Betrag hinaus. In der Vergangenheit hat die Pädagogik, wie die Mode je nach Saison, ihr Kleid all zu oft gewechselt. Auf die einseitig harte und gewalttätige Pädagogik der 1940er Jahre, die diese Menschen in diesem Land bis heute immer noch prägt, folgten Versuche von antiautoritären Erziehungsstilen á la Alexander Neill und Summerhill. 

Menschen denken meist in Kategorien von entweder oder. Sie bevorzugen das eine und stellen sich gegen das andere. Sie bilden einen Standpunkt, an dem sie sich eisern festhalten. 

Offenheit ist selten vorzufinden. Ihre Gedanken und ihre Haltungen sind beeinflusst, durch ihre eigene Geschichte. Und so bin ich froh, dass wir die Wissenschaft an unserer Seite haben, die versucht zu einem möglichst unabhängigen Gutachten zu kommen. 

Ich glaube viele unserer Meinung über Erziehung sind sehr stark von unseren eigenen Erlebnissen geprägt, ob wir diese nun internalisiert (übernommen) haben oder gegen diese im Widerstand leben. Es täte uns gut, die Meinung und die Methoden der Wissenschaft stärker anzuerkennen, damit auch wir zu einer objektiven Sichtweise kommen.

Die Pädagogik ist eine Wissenschaft, die sich auf die Entwicklungspsychologie stützt. In Pädagogik und Psychologie liegen viele Erkenntnisse vor die aus wirtschaftlichen Gründen jedoch häufig keine Beachtung finden. Das muss sich ändern!

Das was große Erfinder oder Philosophen von Albert Einstein bis Johann von Goethe in sich vereint haben, sie waren ganzheitlich gereifte Menschen. Sie hatten Zugang zu den Qualitäten des Herzens und den des Verstandes. Sie waren kreative Denker, Außenseiter ihrer Zeit. Ganz gewiss waren diese keine überangepassten Menschen. 

Kreativität braucht Raum zum experimentieren. Das Genie braucht das Chaos, so wie die Ordnung. Ganzheitliche Menschen brauchen eine Ausbildung beider Seiten. 

Vielleicht sollte man Herr Stern mal fragen, wie er gelernt hat sich anzupassen? Das wäre eine interessante Frage. Wie kreativ ist eigentlich Herr Winterhoff? Hat nicht immer alles zwei Seiten?

In den Schulen meiner Kindheit, wurde keines meiner Talente gefördert. Ich wurde dort zu einem angepassten Menschen erzogen, der seinen eigenen Selbstwert nicht kannte. 

Und obwohl ich Herrn Winterhoff bei allem was er gegüber Markus Lanz postuliert zu stimme, hat die Anpassung an das System auch Nachteile, die wir bedenken sollten, wenn wir einen Mittelweg zwischen Freiheit und Disziplin, erwägen möchten. Ich habe unter meiner Anpassung gelitten, und doch bin ich gleichzeitig froh, dass ich diese erlernt habe. 

Deshalb musste ich so schmunzeln als ich die Diskussion im Fernsehn sah. Es war für mich als schließt sich hier und heute ein Kreis in mir. Alle haben wiedermal gleichzeitig Recht. Vielleicht brauchen wir Menschen die fähig sind mehrere Perspektiven gleichermaßen in sich zu vereinen, ohne sich einseitig auf eine Seite zu stellen. Ich glaube wir müssen noch diffenrenzierter schauen lernen.  

Ich erlebe wie Kinder emotional verwahrlosen, die keine Grenzen kennen, weil ihre Bezugspersonen ihnen kein Gegenüber darstellen. Ich sehe Kinder die emotional verwahrlosen, weil sie einjährig in personell unterbesetzte KiTa Gruppen gegeben werden. 

Fast kein anderes europäisches Land betreut seine Kinder so schlecht wie Deutschland. In der 80er Jahren gab es immer so ein Herz für Kinder Aufkleber. Aber was sind solche Symbole und Floskeln wert, wenn wir im Jahre 2020 immer noch kein Geld in die Hand nehmen, um es in Betreuung in Bildung zu stecken. Wie kann es eigendlich sein, dass wir uns mehr an Wirtschaft statt an wissenschaftlichen Erkenntnissen orientieren? 

Ich sehe Kinder, die unter der Anpassung an das System sehr stark leiden, und ebenfalls emotional verwahrlosen, weil sie sich übermässig an das Leistungssystem anpassen müssen.

Wir leiden darunter, dass unsere Welt von Gewalt und Unfreiheit geprägt ist. Die Unfreiheit, die uns in Deutschland am meisten betrifft, ist dass beide Eltern in Vollzeit am Arbeitsplatz sein müssen. Eltern haben nicht die Freiheit sich gut um ihre Kinder zu kümmern. Das hat unterschiedliche Gründe. 

Viele Eltern müssen so viel arbeiten, um überhaupt über die Runden zu kommen. Dies wäre ein Punkt, an dem wir politisch ansetzten müssten, wenn wir das Wohl unserer Kinder im Auge hätten. Ein VBedingungsloses Grundeinkommen, welches Eltern ermöglichen könnte, mehr Zeit am Kind zu verbringen und Kleinkinder so lange zu Hause zu betreuen, bis dieses die emotionale Reife für die KiTa haben, wäre eine Möglichkeit, die zur Zeit noch fehlt. Aber nur allzu oft schauen wir an diesem Problem noch vorbei.

Sehr oft geschieht emotionale Verwahrlosung aber auch, weil den Menschen der Lebensstandart und Werte wie Erfolg und Leistung, wichtiger sind, als die emotionalen Bedürfnisse ihrer Kinder. 

Dieses geschieht, weil Eltern selbst eine Geschichte mit emotionaler Verwahrlosung in sich tragen. Wer es nur so kennt, dass die eignene Eltern keine Zeit hatten, verhält sich dem eigenen Kind auch oft unbewusst abweisend, und wählt eine Beschäftigung, die wichtiger als das Kind ist. 

Nicht immer hat das überhaupt mit finanziellen Möglichkeiten oder dem Bildungshintergrund der Eltern zu tun.  Wenn man es nur so kennt, findet man dann auch ganztägige Fremdbetreuung völlig normal. Die Gewalt die man selbst erlebt hat, gibt ein Mensch oft unbewusst weiter. Ich sehe jeden Tag in die Augen von Kindern, die ihre Eltern sehr vermissen. Ich sehe jeden Tag Kinder, die in Kitas nicht entsprechend ihrer Bedürfnisse versorgt werden können, weil der Personalschlüssel dieses nicht zu lässt. Was macht das mit einer Gesellschaft, in 20 Jahren, in 30 Jahren. Werdet ihr dann sagen, ihr habt von nichts gewusst?

Ich fragte mich warum Eltern nicht massenweise auf die Straße gehen und sich für das Wohl ihrer Kinder einsetzten? Ja warum tun sie das nicht?

Wenn sich beide Eltern in Vollzeit selbst verwirklichen wollen (wofür ich Verständnis habe), dann geht das auf Kosten der Kinder. Und Eltern werden sich ihren Kindern erst dann ganzen Herzens zuwenden können, wenn ihr eigener Schmerz verlassen zu sein gesehen und verheilt ist. In jedem Entwicklungsland auf der Welt schnellen sich Mütter ihre Kinder um, weil bekannt ist, dass Kinder Körperkontakt brauchen. In Deutschland werden die Kinder einjährig weggeben. Was sagt das über unsere Kultur aus? 

Aus Wikipedia: Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind ist der Titel eines Erziehungsratgebers zur Säuglingspflege, verfasst von der Ärztin Johanna Haarer (1900–1988) und 1934 in erster Auflage erschienen. Damit sowie mit ihren Publikationen Unsere kleinen Kinder und Mutter, erzähl von Adolf Hitler! verfasste Haarer die bekanntesten Erziehungsbücher in der Zeit des Nationalsozialismus und prägte die Erziehung dieser Zeit und eine ganze Generation. Die dieser Generation angehörenden Erwachsenen werden in Deutschland unter dem Begriff Kriegskinder zusammengefasst. Nach dem Krieg wurden Haarers Bücher von den Alliierten verboten.

In diesem Buch wurde den Eltern erzählt, dass sie möglichst  keinen Körperkontakt herstellen sollten, Kinder schreien lassen, statt sie zu trösten. Logisch  1934 wollte man keine verweichlichten empathischen Menschen, man wollte Soldaten, die kämpfen. Vielleicht ist das ja alles noch eine Folge unserer Transgenationalen Traumata? Vielleicht sind wir aber auch einfach nur egoistisch? Vuielleicht feht uns die Demut zu sagen, entweder Kind oder Karriere? Ich weiß es nicht. 

Vielleicht sollten Menschen bewusster darüber nachdenken, ob ein Kind überhaupt in ihre Lebensplanung passt? Vielleicht sollten Menschen sich fragen, kann ich ein Kind, wenn es krank ist überhaupt emotional versorgen?

Eltern sein ist eigentlich ein Vollzeitjob. Ich kenne Kinder, die wie Objekte angeschafft werden, um die emotionale Leere in Erwachsenen zu füllen. Und für diese möchte ich an dieser Stelle sprechen. Ich möchte für diese Kinder an dieser Stelle meine Wut, meine Trauer, meine Entäuschung ausdrücken. Ich empöre mich darüber.

Das Kind was Eltern ganztags fremdbetreut zurück lassen, ist in letzter Instanz der Teil ihres Selbst, dem sie sich nicht zuwenden wollen. Es ist ihr Inneres Kind, welches sie nicht sehen wollen.

Und ich sage das so hart und klar und unbequem, weil ich viele Kinder kenne, die schon einjährig aus diesen Gründen, ganztags fremd betreut werden. Und ich möchte einfach mal die Stimme erheben, für die die nicht gehört werden, weil sie noch zu schwach sind, um sich zu wehren. 

In dieser Zeit beginnen Kinder gerade erst stabilie Beziehungsmuster aufzubauen. Das können sie aber nicht, insbesondere bei dem Personalschlüssel in KiTas. Bei ständig wechselnden Mitarbeitern ist das Urvertrauen eines Kleinkindes dann manchmal zerstört. 

Es gibt für Entwicklungsphasen bestimmte Zeitfenster. Urvertrauen zu erlernen, ist ein Thema des ersten Lebensjahres. Ein Kind welches in dieser Entwicklungsphase nicht die notwendigen verlässlichen Bezugspersonen erfährt, ist nachhaltig traumatisiert. 

Solange wir aber dazu neigen wegzuschauen, was die Fremdbetreuung und das Fehlen emotionaler Führsorge in den Herzen unserer Kinder anrichtet, werden wir weiterhin verhärtete Menschen produzieren, die wiederum es ganz normal finden, keinen Zugang zu ihren Emotionen zu haben.

Kinder beginnen den Zugang zu ihren Emotionen zu verschließen, wenn dieser nicht liebevoll und verständnisvoll von einem Erwachsenen begleitet werden.  Wir wundern uns, dass es an Empathie in unserer Welt fehlt. Wir wundern uns an der aufflammenden Gewalt, die immer wieder zum Thema wird. Aber wir ändern nichts an den Ursachen. Hier könnten wir etwas ändern. Hier liegen die Ursachen. Hier!

Kinder in Deutschland, leiden zur Zeit am meisten unter mangelnder emotionaler Zuwendung. Wir Lehrer und Erzieher können dieses nicht auffangen, wenn wir eine Gruppe mit 25 Kindern zu betreuen haben. Wir brauchen mehr qualifiziertes Personal in Bildungseinrichtungen. Wir brauchen kleine Gruppen. Kleine Klassen.

Oder Eltern müssen Chancen haben, ihr Kind wieder mehr selbst erziehen zu dürfen. Wir brauchen mehr psychologische Aufklärung darüber was ein Kind in seiner Entwicklung braucht. Wir brauchen den Rat der Erziehungswissenschaftler, Sozialforscher, Psychologen und Pädagogen. Die Expertiese dieser Menschen sollte endlich Beachtung finden. Bisher wurden wir nicht gehört. Bisher orientierte sich Kinderbetreuung immer nur am Geld. Kinder sind uns nichts wert. Ist das nicht traurig? 

Wir brauchen Politiker, die das beachten was Pädagogen zu diesem Thema sagen, die ihre  Entscheidenung auf Grund des Wohles der Kinder treffen.

Wir Menschen leiden unter einem Mangel an Liebe und Freiheit der Freiheit uns individuell entfalten zu dürfen. Deshalb erleben wir Unfrieden und Krieg. Kinder brauchen Werte und auch Grenzen. Sie brauchen Menschen, die sie lieben, die Zeit für sie haben und Kinder ernst nehmen.

In wie fern wir Kinder mittels eines autoritären Systems ernst nehmen können, stelle ich in Frage. In wie fern wir Menschen zu verantwortungsvollen Mitgliedern einer Gemeinschaft erziehen können, ohne dass wir ihnen eine Autorität sind, stelle ich ebenfalls in Frage. 

Vielleicht müssen wir noch sehr viel mehr über dieses Thema sprechen, bis wir eine Mitte gefunden haben, in der wir uns alle mit unseren Bedürfnissen wiederfinden. 

Ich möchte dazu raten,  beide Seiten zu betrachten. Wir brauchen freie Kreativität  und Ordnung. Vielleicht setzt du mal die "Anpassung" auf einen Stuhl rechts neben dir, und die "Individualität" links neben dir auf den anderen Stuhl, und lässt sie einen Dialog führen.

Der Schlüssel für die Heilung der (unbewussten) Traumata aus der Kindheit war für mich die Bereitschaft, da hinzuschauen wo es weh tut. Ich hatte wohl das "Glück", dass ich meinen Schmerz noch spüren konnte/musste. Viele Menschen können das nicht mehr. 

Meist möchte da aber niemand hinsehen. Und ich weiß, ich habe sehr unbequeme Dinge gesagt, die niemand hören möchte. Vielleicht ist die Bereitschaft da hinzuschauen, was man eigentlich nicht sehen hören, oder fühlen möchte, aber der erste Schritt, sich selbst und die Welt ein bisschen besser zu machen. 

 

Vielleicht ist die Bereitschaft hinzuschauen, nicht eine Errungenschaft unseres persönlichen Selbst, sondern eine Fähigkeit, die wir irgendwo mal geschenkt bekommen haben. Manche nennen dieses Gnade. Nicht jedem ist diese Gnade Dinge bewusst zu sehen und zu fühlen, gegeben.

Nur wenn ich es so betrachte, kann ich Frieden damit finden, wie Kinder in unserer Welt behandelt werden, denn ich muss ihnen täglich in die Augen schauen, ohne ihnen wirklich helfen zu können, denn was sich für sie tun kann, ist wie ein Tropfen Wasser  auf einen heissen Stein. Ich sehe ihre Sehnsucht nach Liebe. Ich sehe ihren Schmerz, ihre Einsamkeit. Ich sehe mich selbst in ihnen.

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