Mittwoch, 24. Oktober 2018

Wie misst man Erfolg?



Gestern fiel mir durch ein Gespräch mit einem Freund auf, dass viele Menschen sich gerne positiv darstellen. Und dann war mir klar, ich werde heute einen Text über meine Schwächen schreiben. Denn das bin auch ich.

Ob wir erfolgreich sind oder Misserfolg erleben, messen mir meist an den scheinbaren Gewinnern dieser Welt. Wir haben Vorstellungen von Sieg und Niederlage, die wir selten in Frage stellen. Das Spiel zwischen Gewinnern und Verlierern ist ein Teil der Matrix in der wir leben. Ob wir da mitspielen, hängt von unserem Bewusstseinszustand ab. Unser wahres Selbst ist das was, auf das Spiel von Macht und Ohnmacht schaut, wenn wir uns nicht mehr mit einem Teil identifizieren. Also wie kann man aus dem Spiel aussteigen?

Ich habe mich immer zu den Verlierern gezählt. Ich war ein ängstliches Kind, denn ich hatte ängstliche Eltern. Wo hätte ich Mut lernen sollen? Ich war beim Wettlauf immer eine der langsamen, denn ich war mehr ein stiller Beobachter, als ein Macher. Mein Energie Fokus war immer im Geist und nicht im Körper. Ich hatte zu Hause nicht die Liebe, die ich gebraucht hätte, so konnte ich kein Selbstbewusstsein, keine Ich- Stärke aufbauen, die man als Gewinner braucht. Ich lehnte das Ellbogenverhalten der Menschen ab, denn das entsprach nicht meiner inneren Ethik. Ich habe nie gelernt zu gewinnen oder lag es daran, dass meine Stärken wie Sensibilität und Beobachtungsgabe gesellschaftlich nicht anerkannt waren? Meine Stärken liegen im Inneren, aber die waren nie gefragt.

Ich begriff sehr schnell, dass andere Kinder und später, andere Erwachsene, andere Voraussetzungen hatten als ich. Denn ich bemühte mich bei allem was ich erreichen wollte sehr. Ich versuche Schritt zu halten und mich an die gesellschaftlichen Vorstellungen von Erfolg anzupassen, aber ich schaffte es oft nicht. So entstand ein Gefühl von Schwäche, Neid und Ungerechtigkeit. Ich verdrängte meine Stärken, wie meine Empathie, weil ich wahrnahm, dass diese in der Ellbogen. Und Leistungsgesellschaft keinen Platz hatte. Ich versuchte mich anzupassen, doch dafür zahlte ich den Preis, dass ich meine Persönlichkeit verdrängte. Irgendwann beginnt man die Welt abzulehnen, für ihre Ungerechtigkeit, wenn man immer wieder für seine Persönlichkeit abgelehnt wird und pausenlos Niederlagen erlebt. Man entwickelt Neid auf die Gewinner, die gesellschaftliche Anerkennung genießen. Man verliert den Glauben an sich selbst.

Dieses Thema spiegelte sich in vielen Situationen in meinem Leben. Ich habe stets mit Übergewicht zu kämpfen, während andere damit kein Problem haben. Obwohl ich Jahrelang viele Stunden ins Fitnessstudio gerannt bin, obwohl ich diverse Ernährungsumstellungen hinter mir habe, letztlich funktionierte das Ganze immer nur für eine Zeit, in der ich genug Energie habe, all das zu tun. Wenn ich mich übermäßig kontrollierte und so hart trainierte, teilweise über 10 Std. die Woche, dann war ich nur noch leicht übergewichtig. Aber ich hielt das nicht durch, mich ständig zu kontrollieren, ständig so viel von sich zu verlangen. Mein Körper reagiert auf meine Härte zu mir selbst mit Krankheit. Immer wieder bremst mich mein Körper aus und sagte zu meinem Anpassungs- und Leistungsverhalten stopp. Ich war dagegen Ohnmächtig. So blieb mir nur aufzugeben und wieder zu zunehmen. Immer wieder kamen Menschen mit schlauen Sprüchen, die mir irgendetwas rieten, weil es bei ihnen funktionierte. Doch bei mir sollte das nicht funktionieren. Oft habe ich mir ihre Anerkennung gewünscht, dabei fehlte meine Anerkennung für mein so sein.

Ich wusste, die Ursachen, für mein Übergewicht, die lagen ganz wo anders, nämlich in meinem Kindheitstrauma und meinem chronischen Mangelgefühl. Essen war lange Zeit die einzige Möglichkeit, mir selbst die Zuwendung und Liebe zu geben, die ich brauchte. Und so kann man aus dem Kreislauf nur aussteigen, wenn man die ungesunde Lebensweise erst mal annimmt, und erkennt was sie ist, ein Überlebensprogramm. Sport und Ernährungsprogramme können nicht helfen, wenn die Psyche die Zuwendung durch Nahrungsmittel benötigt, weil ein Mensch keinen anderen Weg gelernt hat. Es hilft nur Mitgefühl mit dem inneren Kind und Schritt für Schritt zu lernen, wie man Selbstfürsorge und und Selbstliebe, und alles wofür das Essen steht, sich anders geben kann.

Immer wieder musste ich mir schlaue Sprüche anhören von Leuten die ihren Körper mit Leichtigkeit formen konnten. Immer wieder kamen die vermeintlichen Gewinner dieser Welt, die sich immer schon als Stark und Selbstwirksam erfahren hatten, auf mich zu und gaben mir gut gemeinte, aber dennoch oft fehlplatzierte Ratschläge. Sie hatten andere Voraussetzungen, eine andere Programmierung als ich. Der Gewinnertyp möchte das oft jedoch nicht einsehen, denn er identifiziert sich ja mit seinem Erfolg. Wenn man hart trainiert und Erfolg erlebt, meint man, man selbst sei für seinen Erfolg verantwortlich. Aber das denkt nur das Ego. So wie der Gewinner nicht für deinen Erfolg verantwortlich ist, so ist der Verlierer nicht für seinen Misserfolg verantwortlich, denn all unser Erleben wird nicht von unserem Ego gesteuert. Ob wir Ohnmacht oder Macht erfahren, liegt einzig an unserem höheren Selbst, durch welches wir uns diese Erfahrung erzeugen. Nur ein Ego identifiziert sich durch Erfolg oder Misserfolg.

Natürlich erfährt man alle seine Lebensthemen immer wieder in auch der Bewusstseinsarbeit. So konnte ich nicht die Anzahl an Klarträumen erbringen, wie die Menschen in meinem Umfeld. Auch da hatte ich Zeiten da lief es, und Zeiten da lief eben gar nichts. Es war einfach keine Energie da, um die Motivation aufrecht zu erhalten. Irgendwann brach meine Leistungskurve total ein, weil mich so viele andere Probleme belasteten. Wenn du über all diese Dinge nachdenkst, dann frage dich mal, wo du die Energie her bekommst, die dir ermöglicht etwas zu erreichen, und wer dir die Energie versagt, wenn du versagst? Zu denken man selbst hätte die Macht über die eigene Erfahrung ist eine Illusion. Aus der Seelenebene hast du Macht, ja aber nur dann.

Immer wieder gab es Menschen mit schlauen Sprüchen, die mir sagten, ich müsse doch einfach x und y machen. Menschen die mir suggerierten, ich strenge mich eben nicht genug an, während ich natürlich wusste, das das nicht stimmte, denn ich ging immer an mein Limit. Diese Menschen waren stets eine Provokation für mich, denn ich fühlte mich jedes mal unverstanden und vor den Kopf gestoßen. Ich fühlte mich erniedrigt, denn jeder dieser Sprüche zeigte mir wieder nur meine Ohnmacht auf.

Doch wenn ich mich frage was haben diese Gewinner Typen mit mir zu tun? Dann erkenne ich mich in diesen Menschen wieder, denn auch ich neige dazu, da wo ich Erfolg habe, Menschen zu belehren. Ich bin erfolgreich, im Verstehen von Zusammenhängen. Ich habe ein kritisches Bewusstsein, mit dem ich alles in frage stellen kann. Das ist mir einfach gegeben. An der Stelle bin ich ein Glückspilz. Ich habe nichts dafür getan. Und so sammle ich Wissen mit der Motivation Menschen zu belehren und ihnen durch Wissen zu helfen. Auch da musste ich einsehen, dass jeder Mensch andere Voraussetzungen hat. Meine Arroganz bestand darin, dass ich dachte, ein Mensch müsse doch einfach meine Anleitung befolgen. Durch die Spiegelung mit den Menschen die mich belehrten, konnte ich meine Überheblichkeit erkennen. Ich war mir nicht bewusst, dass es eben nicht so einfach läuft. Man kann Menschen nur helfen, wenn man sich ganz individuell auf ihre Problematik einstellt. Das kostet Energie und ist anstrengend. Das nicht zu sehen, machte mich überheblich und trennte mich davon, die andere Person wirklich zu sehen und echtes Mitgefühl zu empfinden mit denen die meine Erklärungen nicht verstanden oder umsetzten konnten. Das trennt mich auch davon, jemandem überhaupt helfen zu können.

Natürlich führte mich dann auch mein spiritueller Weg durch Leid und Erfahrungen der Ohnmacht. Mein Weg konfrontiert mich schonungslos mit meinem Kindheitstrauma und lässt mich alles spüren, was mein Leben lang verdrängt war. Mein Körper reagiert auf alles mit Krankheit, somit zwingt er mich hinzuschauen. Mein Körper zwingt mich regelmäßig in die Knie, während andere Menschen gesund sind und ihren Erfolg präsentieren. Während ich andere Menschen sehe die spontan Erwacht sind, während ich für mein Bewusstsein arbeiten muss. Das ist manchmal schwer zu ertragen sich alles hart erkämpfen zu müssen. Das ist eine schwere Prüfung das Hier und Jetzt immer wieder anzunehmen, und den Widerstand den man gegen leidvolle Situationen verspürt, Stück für Stück abzubauen. Ich versuche das Leiden so gut es geht anzunehmen. Aber es gibt eben auch Momente, da will man nicht mehr.

Manchmal empfinde ich Neid. Manchmal empfinde ich Zorn auf die, die mit Leichtigkeit durchs Leben gehen und mit schlauen Sprüchen um sich werfen. Oft sehe ich aber auch den Schatten dieser Menschen. Wer Erfolgreich ist, stellt sich nicht in Frage. Aber was bringt das? Immer wieder stelle ich mir die Frage, was soll ich hier lernen? Und immer wieder lerne ich etwas sehr wichtiges und zwar durch die Erfahrung von Leid und Ohnmacht.

Mein Umgang mit Neid: 1. Sich den Neid eingestehen. 2. Den Neid fühlen und damit auch alle Themen anschauen, die damit hoch kommen. 3. Die Trauer über den Misserfolg und die empfundene Ungerechtigkeit fühlen. 4. Erkennen dass Neid, nur entsteht, wenn man sich selbst weniger wert schätzt, als andere Menschen. 5. Sich wert schätzen. Sein eigener Maßstab werden. Das Vergleichen aufgeben.

Meine eigene leidvolle Erfahrung als wertvoll zu betrachten, hat mir geholfen, meinen scheinbaren Misserfolg als persönlichen Erfolg zu betrachten. Denn alles was ich erlebe, führt dazu, dass ich der Mensch werde, der ich immer sein wollte. Menschen denen alles im Leben zufliegt, die haben oft kein Verständnis und kein Mitgefühl für die Menschen, die es nicht so leicht schaffen. Und gerade darum geht es mir ja, Verständnis und Mitgefühl zu erwerben. Wie sollten sie auch, denn sie haben ja selbst wenig Erfahrung im Versagen. Wie sollten sie da Mitgefühl aufbringen können, wenn sie immer erfahren die Kontrolle zu haben? Man kann es ihnen nicht vorwerfen. Nur wer selbst das Leiden erfahren hat, kann die Art von Mitgefühl aufbringen, um die es mir geht. Denn diese Mitgefühl brauche ich, um ich selbst zu sein.

Manchmal wünsche ich mir jedoch, dass die Gewinner ihr Glück erkennen. Erst jetzt begreife ich, dass ich mein Glück begreifen musste. Meine Zeit der Ohnmacht und des Leidens ist ein Lehrmeister für mich. Er lehrt mich große Weisheit und Mitgefühl zu empfinden. Alles was mir im Leben geschieht, lehrt mich mein Bewusstsein zu erweitern. Alles was ich erlebe hilft mir, meine Selbsterkenntnis zu vertiefen.

Wenn ich meine eigene Autorität sein möchte, dann muss ich auch den Maßstab für Erfolg alleine an meiner Individualität messen. Natürlich habe ich auch Vorbilder. Ich kann Menschen für ihre Talente bewundern. Ich kann mich für Menschen begeistern. Aber wenn ich anfange mein Leben mit ihrem zu vergleichen, dann ziehe ich oft den kürzeren. Wenn man seine eigene Autorität sein möchte, dann muss man sich von den Vorbildern abkehren und sie in Frage stellen. Das macht dem Ego Angst, denn dann fehlt einem eine Orientierung im Außen. Die anfängliche Orientierungslosigkeit ist jedoch die Freiheit die wir alle suchen. Es geht um die Freiheit man selbst sein zu können und zwar in jedem Moment. Ich kann mich nicht mehr mit anderen Menschen messen, weder mit Menschen die auf dem Marktplatz des Lebens erfolgreich sind, noch mit Menschen die jede Nacht klar sind, oder mit Menschen die spontan Erwachen und nicht mehr ins Ego runter fallen. Ich kann mich nicht mit Menschen vergleichen, die einen perfekten Körper haben, oder mit Menschen, die so viel Energie haben, und die somit mit Leichtigkeit durchs Leben gehen. Ich kann nur ich selbst sein, und mir dieses zu gestehen, ganz ich selbst zu sein. Das Problem was wir mit uns haben, ist dass wir uns unsere Individualität oft nicht erlauben. 

Ich kann nur meinen Weg gehen. Ich gehe immer den Weg der für mich und meine persönliche Entwicklung am meisten Sinn macht. Das beste was ich tun kann, ist mich selbst zu lieben für das was ich bin und zwar in jedem Moment. Ich freue mich, wenn ich meinem persönlichen Ideal, ich selbst zu sein, wieder ein Stück näher komme. Oder halt, bin ich nicht schon ich selbst? Na dann ist ja alles perfekt.
Entwicklung und Selbsterkenntnis ist das selbe. Wir entwickeln uns um uns selbst zu erkennen.

Wen du auch immer wieder unbewusst wirst und an dir zweifelst, weil dich der Leistungswahn der Gesellschaft anstrengt, weil du dich mit Menschen vergleichst und den kürzeren ziehst, dann steig doch einfach mal aus, und sei ganz du selbst. Sei meinetwegen ein Looser und liebe dich dafür. Aber sehe deinen Wert. Erkenne dass einzig unsere Vorstellung über uns selbst, uns unfrei macht. Sehe das was du durch deine Erfahrung täglich gewinnst. Indem du dir zugestehst du selbst zu sein, fallen alle falschen Vorstellungen ab. Dann siehst du, dass die Vorstellung von Erfolg und Misserfolg nur dazu da sind, um dich weiterhin unbewusst träumen zu lassen. Du kannst deinen Maßstab für Erfolg nur an dir selbst messen. Deine Selbstannahme wird dich befreien.

Erfolg und Misserfolg sind Ego Programme, die für eine Zeit einen Sinn erfüllen. Indem du diese Programme in Frage stellst und überwächst, erhältst du die Klarheit, die du brauchst, um ein bewusstes Leben in Selbstannahme führen zu können. Selbstannahme ist Freiheit. Solange du dich an anderen Menschen orientierst, bist du nicht frei.

Und wenn du zu den Gewinnertypen zählst, dann sei einfach dankbar und nehme dein Geschenk des Erfolges demütig an. Erkenne das du egal wie hart du für etwas gearbeitet hast, nicht für deinen Erfolg verantwortlich bist. Es ist die Gnade deines höheren Selbst, welches dir zu teil wird. Denn wenn du genau hinschaust, dann wirst du erkennen, dass du einfach die passenden Voraussetzungen in diesem Leben mitgebracht hast, um deinen Erfolg zu erleben. An dieser Stelle verliert das Ego seine Überheblichkeit, gewinnt dafür Dankbarkeit, Demut und Mitgefühl. Erst wenn Überheblichkeit in Dankbarkeit gewandelt ist, kannst du zu einem mitfühlenden Menschen werden. Vielleicht entsteht ja auch bei dir Entspannung und Freiheit, wenn du die Vorstellung du müsstest immer Stark sein mal loslässt.

Wenn ich genau hinschaue, sehe ich, dass ich Anteile des Gewinners und des Verlierers in mir habe. Oft habe ich mich mit dem Verlierer identifiziert und den Gewinner auf Personen im Außen abgespalten. Man will ja immer das was man nicht hat und was man hat, wertschätzt man oft zu wenig. Aber ich sehe nun, ich bin immer beides. Und ich sehe auch meinen Gewinner Typen.

Wenn du dich selbst annimmst, schaust du auch liebevoller in die Welt. Denn wenn du dir selbst deine Individualität zugestehst, dann kannst du auch allen anderen Menschen ihre Individualität zugestehen. So entsteht Toleranz und Frieden im innen und Außen. Wie liebevoll oder ablehnend du auf die Welt blickst, hat immer mit deiner Selbstannahme zu tun.

2 Kommentare:

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  2. Ich bin sehr dankbar, dass ich kürzlich auf deinen Blog gestoßen bin. Ich erkenne mich in vielen Punkten selber wieder. Ich arbeite stetig an mir selbst und beobachte mein Verhalten/meine Gefühle. Nun kann ich, dank deiner Texte, mehr über mich selbst lernen. Danke, dass du dir diese Mühe machst. Liebe Grüße

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