Sonntag, 14. März 2021

 

Der Wagen


Im Kampf gegen die eigene Begrenzung erkennt der Herzenskrieger, dass er gegen seine eigenen Projektion kämpft.

Die Chance des umgekehrten Wagens, welches eine Erfahrung des Scheiterns darstellt, befördert den spirituellen Aspiranten in die obere Triade der Kabbala. Im Aufgeben des Ego Willens, erfährt der Aspirant den freien Willen. Hier erfährt er Handeln in einem perfekten Einklang mit der Umwelt zu sehen, und somit erkennt er den großen Zusammenhang seiner Person im Gefüge des Ganzen. Menschen die den Wagen in der spirituellen Form leben, dienen als Vermittler zwischen den Welten. Sie können in der Rolle eines Schamanen wirken, denn der Schamane war schon immer auch der Vermittler zwischen den Welten und Stämmen.

Der Wagen steht für die Motivationskräfte. Dieser Aspekt in mir, weist sehr starke Blockaden auf. Ich fahre also mit dem umgekehrten Wagen. Es ist als hätte meine Erziehung, die darauf ausgerichtet war, mich zu einem funktionalen Menschen zu machen, der seine Bedürfnisse im Zweifelsfall lieber verleugnet, um weiterhin funktional für seine Umwelt zu sein, alle intrinsische Motivation in mir, beinahe unmöglich gemacht.

Nun nicht alle, denn ich schreibe hier. Mein Innerstes erforschen und es in Form von Schrift nach Außen zu tragen ist eine der wenigen Aktivitäten, die ich aus einem Inneren Antrieb heraus tun muss. Mag es letztlich nur darum gehen, mich selbst zu verstehen. Solange ich für mich schreibe und mir keine Mühe mache, den Schreibstil all zu aufwendig für einen Leser anzupassen. Lange habe ich mit meiner naiven Form zu schreiben gehadert, aber ich verstehe nun immer mehr, dass es um die Freude geht, die mir diese Form des Selbstausdrucks, macht. Zum Beispiel dann, wenn ich das Gefühl habe, dass mir ein Text ganz gut gelungen ist. Und ich bin froh, dass ich meinen Schreibstil bisher nicht mit Gewalt in eine Form pressen konnte. Ich umarme mal alle meine Rechtschreibfehler, die ich total lieb habe.

Ich bemerke das nun seit nun ca. 7 Jahren, dass alles was ich anpacke systemisch scheitert. Man könnte meinen, mir sei ein Spiegel zerbrochen. Und was macht man da wenn man sehr ambitioniert ist? Man geht noch angestrengter vor, um etwas hervor zu bringen, das in dieser Welt zählt, denn hinter dem Bedürfnis nach Leistungsfähigkeit, stecken existentielle Bedürfnisse. Der Wunsch nach sozialer Anerkennung zum Beispiel, den ich immer wieder kritisch in Frage stelle, weil ich nicht mehr von einem Außen abhängig sein möchte. Also frage ich mich, was steckt denn noch dahinter? Ich finde weitere Bedürfnisse. Ich finde ein Bedürfnis nach Sicherheit und Verbundenheit, welches immer wieder Loyalitätsleistungen einfordert. Ein Teufelskreis. Dem entgegen steht jedoch mein Bedürfnis nach Freiheit und Selbstbestimmung. Diesbezüglich ist der Innere Krieg noch voll im Gange.

Also muss das Ganze einem höheren Plan folgen. Es ist auch keineswegs so, dass ich direkt immer aufgeben würde und allem was mir geschieht einen höheren Sinn geben kann. Im Gegenteil, ich wünschte ich könnte meine Beharrlichkeit, es immer wieder zu versuchen, doch noch leistungsfähig und angepasst zu sein, aufgeben. Es ist qualvoll, ohne Energie zu sein und innerlich daran zu leiden, das man nicht so kann, wie die anderen da draußen. Gott wann lässt du mich endlich aufgeben?

Um so mehr ich versuche das alte leistungsorientierte Weltbild aufrecht zu erhalten, um so härter werden die Blockaden des Inneren Saboteurs dessen Gewalt sich nach Innen richtet, um so unsanfter wird er. Wenn ich mich so richtig anstrenge, dann droht er mitunter mich zu ersticken, bedroht mich mit Schmerzen und Angst und einer langen Liste an hinderlichen Symptomen. Wenn das Symptom zu stark ist, muss ich meinen Willen loslassen und ihn gewinnen lassen. Ich wünschte ich könnte einfach aufgeben und loslassen, ohne die ganzen Symptome, die ich seit Jahren erdulden muss. Er schiebt mich gewaltvoll in Richtung Loslassen, ob ich will oder nicht. Ist es nun gnadenlose Zerstörung oder Liebe, die ich erfahre? Beides.

Warum kann ich nicht loslassen? Weil ich mit all den Menschen gehe, die auch nicht loslassen können und Mitgefühl lerne mit dem, was sie erleiden müssen. Ich wollte immer so ein Blitzerwachen. Einfach so. Zack. Aber es ist als ob ich mein Pflaster ganz langsam abziehe und jeden Schmerz kartografiere. Ich hab das Verstehen wollen, bereits so oft hingeworfen. Aber immer wieder sagte die Stimme, es ist deine Aufgabe das alles zu verstehen und es auszudrücken. Ich weiß nicht ob ich dieses Aufgabe gewachsen bin. Aber wer wäre ich ohne diese Aufgabe? Niemand. Dann gebe ich mal auf.

Es kommt mir vor, als wäre ich ein Zug, der bedingt durch die Erziehung, einst mit 150 Km pro Stunde fährt, obwohl die Maschine nur für maximal 100 Km/h ausgelegt war. Dieser Zug wird nun seit Jahren immer ein wenig mehr abgebremst. Zum Beispiel indem alle Beziehungen absterben, mit Menschen die etwas von mir erwarten und sei es nur ein konstantes Selbstbild. Diese Erwartung werde ich immer wieder enttäuschen müssen.

Zum Beispiel indem mir mein Job genommen wurde, und damit jegliche Möglichkeit, den Wert der Person mit Erwerbstätigkeit aufzuwerten. Jedes bremsen ist leidvoll, weil es einen Verlust der sozialen Gemeinschaft, des Selbstbildes und erneuten Kontrollverlust bedeutet. Ich werde von körperlichen und psychischen Symptomen abgebremst, die mein ganzes altes Leben auslöschen und umkrempeln. Das alte Gebäude, die falschen Ansichten, werden abgerissen. Das ist als ob du auf dein zu Hause schaust, und zu siehst wie der Bagger Kleinholz draus macht und du traurig über die guten Erinnerungen schwelgst, während du nur noch eine Bruchbude siehst, indem man eh nicht mehr wohnen kann. Ist nicht so einfach loszulassen. Oft fehlt die Würdigung dessen, was man hatte. Nur was wird dann noch von mir übrig bleiben? Manchmal macht mir das große Angst.

Zudem habe ich das Gefühl, ich verliere jeden Lebenssinn. Mag ja sein, dass das Fehlen eines Sinns für manche Menschen eine Befreiung ist, für mich fühlt es sich wie ein Albtraum an. Meine Depression ist mein spirituelles Fahrzeug, welches mich scheinbar bis in die Freiheit führen möchte. Aber ich sehe wohin es mich führen soll: Zerstörung -> Aufgeben (Loslassen) → Selbstliebe → Freude → Erfolg → Erfüllung -> Frieden

Mein Leben stand auf einem völlig falschem Fundament, weshalb es ohne Zerstörung nicht geht. Womöglich brauche ich noch mehr Würdigung für das Vorhandene. Aber das ist so schwer, wenn doch alles mit dem Trauma verwoben ist. Es war kein liebevolles Fundament. Es war durchtränkt von Missbrauch. Alles Schöne war stets mit Unschönem verwoben. Es wird nun zerstört, damit etwas neues liebevolles wachsen darf, etwas reines wie ich hoffe. Es heißt ja der Lotus wächst im Schlamm oder inmitten eines abgerissenen Hauses. Du kannst dir das vorstellen, wie in einem Traum, wo du merkst dass du nackt bist. Nur ist diese Nacktheit und die damit einhergehende Verletzlichkeit noch viel umfassender, denn sie betrifft dein ganzes Sein. Und wo du vorher noch sicher eingebunden durch deine Anpassung warst, ist das nichts mehr was dich schützt außer deine Liebe. Ich wünsche mir mehr Vertrauen, für diesen Prozess.

Früher dachte ich, ich muss mich anstrengen um etwas zu erreichen. Dabei war ich oft sehr hart zu mir. Ja man könnte sogar sagen Erbarmungslos. Ich nannte das Disziplin und war stolz auf meine Härte. Meistens spornte ich mich zu Dingen an, die ich bei anderen Menschen sah und für die ich sie bewunderte. Ich hatte nie gelernt meine eigenen inneren Talente zu sehen. Denn es war niemand da, der mich das lehrte. Mein Blick wurde mit Gewalt auf das Außen gerichtet und so strebte ich das an, was mir als recht erklärt wurde. Die neue Struktur die in mich installiert wird, heißt: Erfolg ist nicht der Schlüssel des Glücks. Glück ist der Schlüssel zum Erfolg. Wenn du liebst, was du tust wirst du erfolgreich sein.

Ich verstehe immer mehr, dass ich erst einmal ich selbst werden muss. Ich verstehe immer mehr, mein Weg zum Erfolg ist bedingungslose Selbstliebe. Aber es macht mir noch Angst, denn dazu muss ich all das falsche loslassen, was mir bisher Sicherheit gab und wo finde ich dann Sicherheit?

Selbstliebe erzeugt Freude. Freude ist eine Folge von Selbstliebe. Und wenn man etwas mit Freude macht, dann wird es erfolgreich, weil man seine Talente würdigt. Mit Erfolg, meine ich, etwas was einen Menschen erfüllt. In welchem Rahmen sich diese Erfüllung ausdrückt, dass kann sehr unterschiedlich sein. Es kann etwas ganz kleines sein, oder auch etwas großes. Das ist gar nicht wichtig. Um erfolgreich zu sein, richtet man den Blick nach Innen, auf sich selbst und lebt sich selbst.

Für komplex traumatisierte Menschen wie mich, ist das Erwachen sehr schwer, denn wir können nicht einfach loslassen und frei sein. Für uns bedeutet Erwachen, das Leben noch einmal völlig umbauen zu müssen.


Zitat:
Zitat Darmi Charf über den Unterschied von einfachem Trauma und Entwicklungstrauma:

"Ein Schocktrauma ist wie ein falschfarbiger Faden in einem sonst gut gewebten Teppich. Zieht man ihn heraus, ist der Teppich immer noch in Ordnung. Bei einem Entwicklungstrauma müsste man so viele Fäden ziehen, dass sich der Teppich in Form und Farbe verändern würde."

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