Donnerstag, 10. November 2016

Segmentierung, Grenzen, Angst


Segmentierung ist ein Abwehrmechanismus. Ich habe das Wort in einem Enneagramm Buch gefunden, als es als typische Abwehr der 5 (Der Versteher im Enneagramm) beschrieben wurde und mich sofort erkannt. Segmentierung beschreibt eine Form der Abwehr, die alles in Segmente unterteilt. Zum Beispiel trennt ein Mensch Familie, physische Freunde, Internetfreunde, Arbeitskollegen, etc. und grenzt diese voreinander ab. Das soll den Menschen schützen, indem nicht jede Gruppe über jede Information verfügt. Die meisten kennen bestimmt, das private und das geschäftliche Segment zu trennen. Das macht man ja auch aus einer Angst heraus, es könnte den Beziehungen und seiner persönlichen Abgrenzung irgendwie schaden. Bei manchen Menschen, wie bei mir, ist das allerdings stärker ausgeprägt.

Ich habe bis gerade eben, so eine Grenze gezogen zwischen meinen physischen Freunden, diesem Blog hier und meinem Interesse für Träume, Erwachen, etc. Bisher habe ich mich mit meinen nach innen gerichteten Themen im Freundeskreis, der seit ungefähr 20 Jahren besteht, nicht ernst genommen gefühlt und deshalb kaum darüber geredet. Diese Seite von mir, habe ich aus Angst vor Zurückweisen geheim gehalten. Und nun war auf einmal der Moment da, indem ich das nicht mehr wollte. Herzlich Willkommen, auf meinem Blog. :D

Das interessante ist, dass ich vor einigen Monaten, zwei Träume hatte, die vom Ende der Segmentierung handelten. Der eine behandeltet eben dieses Freunde Thema.

Traum1:

Ich feiere Abschied von meinem Praktikanten. Manchmal ist es auch ein alter Freund aus dem Libanon, von dem ich mich mit 18 verabschieden musste. Dazu sind sämtliche Freunde und Bekannte eingeladen. Ich will noch mehr Leute einladen, doch einige kritische Stimmen sagen, es dürften nicht alle kommen. Ich finde das doof.
Ich setze mich darüber hinweg und lade immer mehr Leute ein. Irgendwie kennen sie alle diesen Praktikanten. Es sind Kita Eltern, Kinder, Freunde aus verschiedensten Kreisen anwesend. „Echte“ Freunde, Freunde aus dem Internet, Klartraumer und Arbeitskollegen sind dabei. Leute die sonst nie zusammen kommen würden. Und darüber freue ich mich am meisten. Das die alle sich treffen und kennen lernen. Das alle zusammen kommen.
Ich schreibe am Tag des Abschiedes allen Bekannten noch eine Gruppennachricht in einer Whatsappgruppe, wo jeder schonmal den Email Account von jedem bekommt.
Es spielt auch noch Deutschland Fussball, deswegen kommen einige später.
Ich laufe zähneputzend durch die Straße.
Plötzlich steht S. vor mir, ich freue mich. Als wir alle zu dem Ort kommen. Wo das Fest stattfinden soll (ein Haus indem mein Freund R. und ich gemeinsam wohnen), kommen immer mehr Leute, die ich vergessen habe. R. hat sich gestoßen und nimmt Globuli, obwohl er sehr anti esoterisch ist.
Alle haben irgendwie vom Treffen erfahren. Einige sind aggressiv, andere aufgeregt, andere gelassen, andere fröhlich. Sie wollen direkt ihre Aufgabe erfahren, denn wir wollen für den Praktikanten kochen. Alle wollen unbedingt dabei sein und helfen.
Jeder bringt Zutaten mit und bekommt eine Aufgabe. Es ist dann doch mehr als nur ein Menü zu zaubern. Es werden Geschichten vorgetragen und Plakate gemalt. Ich hole mein Zeugnis raus mit dem ich immer unzufrieden war und zeige es Rum. Es macht gar nichts, dass ich die nicht alle Schulaufgaben erfüllt habe und ein ausreichend darunter steht. Diese Note sagt nichts über meine Fähigkeiten aus.
Ich bin total euphorisch über das zusammentreffen der verschiedensten Leute. Dann plane ich, dass wir zum Essen alle an einer riesigen Tafel, in einem Garten sitzen. Ich wache mit großer Freude über den Traum auf.

Kurze Deutung:
Dieser Traum deutet auf das Ende meiner Segmentierung hin, der Trennung zwischen den verschiedenen Rollen. Der Traum hat glaube ich im Juli2016 statt gefunden. Die Leute im Traum, stellen im übertragenen Sinne innere Anteile dar. Es geht nicht nur darum, dass sich vielleicht mal meine Freunde und Bekannte kennenlernen, sondern es geht eigentlich darum, dass meine inneren Anteile, die sehr unterschiedlich sind oder sogar miteinander im Konflikt sind, Frieden finden.
Der Praktikant, und auch der libanesische Freund, verkörpern für mich etwas kindliches. Vielleicht ist es ein Abschied von etwas kindlichem. Kindliche Angst. Die kritischen Stimmen streiten mit den anderen Ansichten. Ich setzte mich über den inneren Kritiker hinweg. Ich zeige allen mein schlechtes Zeugnis, aber anstatt mich zu schämen, fühle ich mich Selbstbewusst. Der Traum deutet auf die Zukunft hin, denn das Fest ist noch in Vorbereitung.

Diese Grenzen setzten wir überall in unserem Leben. Wir sehen alles durch die Brille von Konzepten und Modellen und trennen somit die Wirklichkeit in theoretische Konstrukte auf, die wir krampfhaft aufrechterhalten, weil wir sonst Angst bekämen. Jeder macht das, auf unterschiedliche Art und weise. Wir haben zum Beispiel Konzepte von ich und du. Das sind aber nur theoretische Konzepte. 

Es gibt vermutlich noch keinen Wissenschaftlicher, der die Existenz von Ich und Du beweisen konnte. Ja es gibt verschiedene Menschen mit verschiedenen Körpern, aber woher kommt das Gefühl der Identität? Wer einmal erlebt hat, dass dieses Identitätsgefühl sich durchaus verändern kann, der stellt das Konzept der Ich- Identität in Frage. 

Segmentierung und Projektion sind Abwehrreaktionen und gleichzeitig Werkzeuge zur Integration, die es ermöglichen, Anteile zu nutzten, ohne sich damit identifizieren zu müssen. Das ist mir kürzlich aufgefallen, als ich einen Anteil von mir bewusst abgespalten und personifiziert habe, um mit ihm in Kontakt und Kommunikation zu treten. Es ist also nichts schlechtes. Es ist aber auch so, dass es eben eine Angstvermeidung ist, die man irgendwann immer weniger benötigt.

Interessanterweise, ist auch der Traum so eine Abspaltungstechnik, die uns vor unserer Angst schützt, die Orientierung zu verlieren. Würden wir in der Wachwelt erfahren, was wir im Traum erfahren, würden wir Probleme haben, das zu integrieren. Hier ist es auch so.

Uns hilft dabei der Glaubenssatz, dass solange es im Traum geschieht, es geschehen darf, weil es ja ein Traum ist. Wenn die Grenzen zwischen Wachen und Schlafen sich auflösen, kann das sehr erschreckend sein, deshalb sortieren wir uns unserer Erlebnisse in Kategorien. Ich, du, Schlaf, Traum. 

Ich glaube das was im Tibetischen Totenbuch und im Traumyoga beschrieben wird, (Wach sein im Wachen, Traum und Traumlosen Schlaf) ist der Zustand, wo eben diese Segmente wieder zusammenfliessen können und sämtliche Grenzen wegfallen. 

Manchmal darf man sich die Grenzen erst bewusst machen, bevor man sie auflösen kann. Denn eigentlich ist alles nur Eins, es sei denn unser Verstand trennt es.

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